Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer

Umsatzsteuerbefreit sind gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ambulante und stationäre Leistungen, die der medizinischen Betreuung von Menschen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen. „Ärztliche Heilbehandlungen“ und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ sind also Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten bei Menschen vorgenommen werden. Sie dienen dem Schutz der Gesundheit des Einzelnen.

Matthias Draschka

 

Dies bedeutet für den Zahnarzt, dass die konkrete Behandlungstätigkeit, also die Ausübung der Zahnheilkunde, umsatzsteuerbefreit ist. Als Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Kenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten anzusehen. Ausübung der Zahnheilkunde ist nach Ansicht der Finanzverwaltung auch der Einsatz einer intraoralen Videokamera eines CEREC-Gerätes für diagnostische Zwecke. Entscheidend für die Steuerfreiheit ist daher die Einordnung der konkreten Tätigkeit als Heilbehandlung.

 

/// Umsatzsteuerpflichtige Leistungen

Folgende zahnärztliche Tätigkeiten sind keine Heilbehandlungsleistungen und daher nie von der Umsatzsteuer befreit:

  • die schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit, auch soweit es sich dabei um Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift handelt;
  • die Vortragstätigkeit, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen einer Fortbildung gehalten wird;
  • die Lehrtätigkeit;
  • die Lieferungen von Hilfsmitteln (z.B. Verkauf von Zahnpflegeprodukten) und
    ästhetisch-plastische Leistungen, soweit ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht (mehr dazu siehe Beitrag zum Bleaching weiter unten).

 

Daneben ist die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen, anderen Waren der Zahnprothetik sowie kieferorthopädischen Apparaten und Vorrichtungen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, soweit die bezeichneten Gegenstände im Unternehmen des Zahnarztes hergestellt oder wiederhergestellt werden (sogenanntes Eigenlabor). Dabei ist es unerheblich, ob die Arbeiten vom Zahnarzt selbst oder von angestellten Personen durchgeführt werden.

 

Die Leistung des Fremdlabors ist als umsatzsteuerfreier durchlaufender Posten zu behandeln. Leistungen aus dem Eigenlabor einer kieferorthopädischen Praxis unterliegen nicht der Umsatzsteuer, wenn hierbei die kieferorthopädische Heilbehandlung im Vordergrund steht (Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung). Dies ist zum Beispiel bei Überlassung von Zahnspangen, die der Fehlbildung des Kiefers entgegenwirken, der Fall.

 

Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung gilt auch bei der Herstellung von Aufbissschienen durch den Zahnarzt. Diese sind als Teil der therapeutischen Behandlung in der Regel ebenfalls umsatzsteuerbefreit.

 

/// Folgen aus der Erbringung umsatzsteuerpflichtiger Leistungen

  • Ausweis der Umsatzsteuer und Abführung an das Finanzamt: Betreibt der Zahnarzt ein Eigenlabor oder erbringt er andere umsatzsteuerpflichtige Leistungen (z.B. aus rein kosmetischen Gründen durchgeführte Maßnahmen, Anbringen von Zahnschmuck, o.Ä.), so hat er die Umsatzsteuer separat in seiner Rechnung auszuweisen und an das Finanzamt abzuführen.
  • Steuersatz: Für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten gilt, sofern der Zahnarzt sie selbst hergestellt hat, ein ermäßigter Steuersatz von 7%. Für alle anderen steuerpflichtigen Leistungen beträgt der Steuersatz 19%.
  • Vorsteuerabzug aus Rechnungen, die steuerpflichtigen Umsätzen zugeordnet werden: Die Erbringung umsatzsteuerpflichtiger Ausgangsleistungen hat aber nicht nur Nachteile. Zahnärzte können die Umsatzsteuer aus Anschaffungen, die eindeutig zu den steuerpflichtigen Umsätzen zugeordnet werden können, als Vorsteuer abziehen. Das bedeutet, Zahnärzte erhalten die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück.

 

/// Beispiel: Kauf der Ausstattung für Eigenlabor

Zahnarzt A erwirbt für sein Eigenlabor neue Möbel und Geräte für insgesamt 59.000,- Euro. Die Gesamtsumme enthält eine Umsatzsteuer von 19/119 x 59.000,- Euro = 9.000,- Euro. Diese kann sich A vom Finanzamt als Vorsteuer erstatten lassen. Er muss also nur eine Nettoinvestition von 50.000,- Euro finanzieren. Ebenfalls erstattet wird die anteilige (auf das Labor entfallende) Umsatzsteuer auf Materialaufwendungen.

 

  • Formalitäten bei Umsatzsteuerpflicht: Aus der Umsatzsteuerpflicht ergeben sich auch gewisse Formalitäten. Der Zahnarzt muss zunächst monatlich, später gegebenenfalls vierteljährlich, bei seinem Finanzamt Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Dies wird regelmäßig vom Steuerberater übernommen.
  • Ausnahme, Kleinunternehmer: Hat der Zahnarzt umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze von weniger als 17.500,- Euro, gilt er steuerlich als Kleinunternehmer. Er muss dann keine Umsatzsteuer ausweisen und abführen, kann im Gegenzug aber auch keine Vorsteuer geltend machen und auch die Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen entfällt.

 

Auf die Kleinunternehmerregelung kann gegenüber dem Finanzamt verzichtet werden. Dieser Verzicht bindet den Zahnarzt jedoch für fünf Jahre. Im Einzelfall ist es ratsam, das konkrete Vorgehen mit dem Steuerberater zu besprechen, um die wirtschaftlich sinnvollste Lösung zu finden.

 

Achtung: Weist ein Kleinunternehmer auf seinen Rechnungen Umsatzsteuer aus, schuldet er diese dem Finanzamt. Ein Ausweis der Umsatzsteuer darf also beim Kleinunternehmer keinesfalls erfolgen.

 

/// Umsatzsteuerpflicht bei Bleaching-Behandlungen

Zahnaufhellungen (Bleaching), die ein Zahnarzt zur Beseitigung behandlungsbedingter Zahnverdunkelungen vornimmt, sind umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen. So hat es der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil aus 2015 entschieden (V R 60/14 vom 19.3.2015).

 

So weit, so gut. Nur bedeutet dies nicht, dass automatisch jede Bleaching-Behandlung umsatzsteuerfrei ist. Kernpunkt der Entscheidung ist, dass bei Durchführung der Behandlung eine (zumindest überwiegend) medizinische Indikation vorliegt.

 

Der konkreten Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Anschluss an eine medizinisch indizierte Wurzelkanalbehandlung traten Zahn-Verdunkelungen auf. Deshalb wurden durch den Zahnarzt bei einigen Patienten eine Zahnaufhellung der betroffenen Zähne durchgeführt. Für die Leistungen der Zahnaufhellung berechnete der Zahnarzt den betroffenen Patienten ein Entgelt, ohne die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen und auszuweisen. In den Umsatzsteuererklärungen wurden diese Leistungen als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) behandelt.

 

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei Bleaching-Behandlungen nicht um steuerbefreite Heilbehandlungen handelt. Es handele sich vielmehr um umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Gegen diese Entscheidung klagte der Zahnarzt mit Erfolg.

 

Als steuerfreie Heilbehandlung sind auch solche medizinische Maßnahmen anzusehen, die ästhetischer Natur sind und zur Beseitigung der negativen Folgen einer Vorbehandlung dienen. Voraussetzung ist allerdings, dass ein sachlicher Zusammenhang mit der vorherigen steuerfreien Zahnbehandlung besteht.

 

Die Steuerbefreiung ist nämlich gerade nicht nur auf solche Leistungen beschränkt, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen. Sie erfasst ebenfalls Maßnahmen, die erst als Folge einer solchen Behandlung erforderlich werden (sog. Folgebehandlung). Dies gilt selbst dann, wenn die Folgebehandlung ausschließlich ästhetischer Natur ist und insbesondere, wenn die medizinische Maßnahme dazu dient, negative Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen.

 

/// Fazit

Ästhetische Maßnahmen, die aufgrund einer medizinisch indizierten und damit umsatzsteuerfreien Heilbehandlung erforderlich werden, sind ebenfalls umsatzsteuerfrei. Bleaching von gesunden Zähnen, um ihnen ein helleres Aussehen zu geben, ist keine Heilbehandlung. Dies gilt auch für das Entfernen von Verfärbungen durch Nikotin, Tee oder Ähnlichem. Umsätze aus professionellen Zahnreinigungen sind umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, da sie zur zahnmedizinischen Prophylaxe gehören.


AUTOR

Matthias Draschka, M.A., Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht


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