Hilfe! Was tun mit Angstpatienten?

Angst vor Zahnarzt und Behandlung:

 

Hilfe! Was tun mit Angstpatienten?

 

Schon 2012 haben BZÄK und KZBV in einer gemeinsam in Auftrag gegebenen Umfrage belegt, dass die Angst vor der Behandlung beim Zahnarzt weit verbreitet ist. Danach geben zwölf Prozent der Erwachsenen an, stark ausgeprägte Angst vor dem Zahnarztbesuch zu haben. Gut die Hälfte der Befragten verspürt eine leichte emotionale Anspannung.[1] Angstpatienten benötigen im Vergleich zu „normalen“ Patienten mehr Aufmerksamkeit: Unter Umständen muss die Behandlung häufiger unterbrochen werden und mehr als andere brauchen sie das Gefühl, dass man sie versteht und auf sie eingeht. Wie sollten sich Zahnärzte verhalten, wenn sie Angstpatienten behandeln?

Redaktion

 

Die übertriebene Angst mancher Patienten vor dem Zahnarzt hat oft (aber nicht immer) mit Kindheitserlebnissen zu tun, die bis ins Erwachsenenalter traumatisch nachwirken. Verstärkt wird dieses negative Befinden von der typischen Behandlungssituation beim Zahnarzt: passiv, scheinbar hilflos auf dem Stuhl liegend.

Die Folge ist eine beharrliche Abstinenz vom Zahnarztbesuch. Und dies bleibt oft nicht ohne Konsequenzen für die Mundgesundheit. Betroffene wissen zwar, dass sie sich behandeln lassen sollten, tun dies aufgrund ihrer übertriebenen Angst aber nicht oder schieben den Termin auf die lange Bank – vielleicht schämt sich der eine oder andere auch für den gravierend schlechten Zustand seiner Zähne.

Doch wie BZÄK und KZBV in ihrer Umfrage fernerhin darstellen, ist Angst nicht gleich Angst. Gut jeder zweite Befragte empfinde eine nur leichte emotionale Anspannung beim Gedanken an die zahnmedizinische Behandlung[2]. Viele Menschen haben zwar Angst, aber nicht jeder, der Angst hat, ist gleich ein Phobiker mit psychischer Störung: Unterschieden wird nämlich eine „normale“ von einer krankhaften Angst (Phobie). Es kann daher immer wieder vorkommen, dass auch Patienten die Praxis aufsuchen, die nur ein „bisschen“ Angst haben. Auch ihnen sollten Zahnärzte Angebote machen, um ihren Praxisaufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.

 

/// Wer ist Angstpatient?

Die Angst vor dem Zahnarzt oder der Zahnbehandlung sieht man Patienten oft nicht so leicht an. Daher stellt sich für das Praxispersonal zunächst die Frage: Wer ist Angstpatient? Und wie ängstlich ist der Patient?

In Extremfällen macht sich die Angst am Körper bemerkbar: Beispielsweise mit Schweißausbrüchen, fahrigen Bewegungen oder zittriger Stimme. In einem solchen Fall sollte das Praxispersonal fragen, wie lange der letzte Zahnarzttermin zurückliegt. Sind dies mehrere Jahre, könnte sich der Eindruck verdichten, dass es sich um eine Zahnarztphobie handelt.

Eine weiterhin einfache Methode ist das gezielte Nachfragen, ob ein Patient Angst vor dem Besuch in der Praxis hat. Einleitend könnte die ZFA beispielsweise fragen, ob ein Patient schon einmal eine solche Behandlung bekommen habe und ob er schon aufgeregt/gespannt sei. Die Antwort gibt ein erstes Indiz, wie ausgeprägt die Angst vor dem Zahnarzt ist.

Noch eine einfache Methode, die das Praxispersonal anwenden kann, um die Ausprägung der Angst bei einem Patient festzustellen, ist eine Nachfrage auf dem Anamnese- oder Anmeldebogen. Diese könnte etwa als visuelle Analogskala gestaltet sein, bei der man auf einem Querbalken den Grad der Angst markieren muss. Auch eine Frage mit Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen (zum Beispiel von „überhaupt keine Angst“ bis „starke Angst“) könnte ein probates Mittel sein.

Wichtig ist und bleibt zusätzlich jedoch der persönliche Eindruck des Praxispersonals (vielleicht traut sich der eine oder andere Patient nämlich nicht anzugeben, dass er Angst hat).

 

/// Vorab-Gespräch im Beratungszimmer

Haben sich verschiedene Eindrücke dazu verdichtet, dass es sich um einen Angstpatienten handelt, sollte ihm der Zahnarztbesuch so angenehm wie möglich gemacht werden. Ein gutes Mittel, um Aufregung und Angst zu relativieren, ist Ablenkung. Ein lichtdurchflutetes Zimmer, angenehme Gerüche, Musik und Lesematerial können helfen, den Gemütszustand des Patienten zu verbessern.

Wichtig ist, den Angstpatienten langsam an das Behandlungszimmer heranzuführen. Dazu gehört ein „Zwischenstopp“ in einem Beratungszimmer: Hier erhält der Zahnarzt Gelegenheit, mit dem Patient ausführlicher ins Gespräch zu kommen und die Behandlung auf Augenhöhe zu erläutern. Dabei sollte der Zahnarzt einzelne Behandlungsschritte erklären und abschätzen, wie lange der Eingriff dauert.

Dabei muss der Behandler auch auf Risiken hinweisen. Es ist jedoch wichtig, diese gleichzeitig zu relativieren, zum Beispiel: „Wir haben diesen Eingriff schon sehr oft vorgenommen und es kommt nur ganz selten zu Ausnahmefällen. Sollte dieser doch mal eintreten, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Ich und unser Personal sind auch für solche Fälle geschult und ausgebildet“.

Während des Gesprächs sollten Zahnärzte sich Zeit nehmen, um ausführlich auf die Fragen (und zuweilen auf die Nöte) ihrer Patienten einzugehen. Praxen, die kein Beratungszimmer haben, könnten die Beratung von Angstpatienten auch auf dem Behandlungsstuhl in aufrechter Position durchführen.

Selbst, wenn es einem Zahnarzt vielleicht schwer fällt, sollte er Verständnis für die Angst seines Patienten zeigen. Dieses Verständnis könnte er mit gezielten Nachfragen entwickeln, etwa woher die Angst des Patienten komme. Letzteren gibt das vielleicht auch eine Gelegenheit zu einem befreienden Gespräch. Für das Gespräch mit Angstpatienten gelten zudem die gleichen Empfehlungen wie für das mit normalen Patienten (siehe „Mehr Patienten für die Praxis, Teil 3“ in der aktuellen Ausgabe des dental:spiegel).

 

/// Kontrollverlust kompensieren

Viele Angstpatienten schrecken vor dem Besuch beim Zahnarzt auch wegen des Verlusts an Kontrolle zurück. In solchen Fällen könnte man jedoch Kontrolle zurückgeben oder zumindest die Illusion vermitteln, dass die Kontrolle beim Patient liegt.

Dies kann das Praxispersonal schon mit einfachsten Methoden umsetzen, beispielsweise mit der Nachfrage, ob ein Patient bequem sitzt, ob die Raumtemperatur für ihn in Ordnung ist oder ob das Fenster geöffnet bleiben darf.

Wird ein neuer Behandlungsschritt eingeleitet und der vorausgehende beendet, ist ein kurzer Hinweis des Praxispersonals hilfreich (nicht nur bei Angstpatienten, siehe „Mehr Patienten für die Praxis, Teil 3“). Um die Kooperation, insbesondere bei Angstpatienten zu verbessern, ist es jedoch sinnvoll, Behandlungsschritte ggf. ausführlicher zu erläutern.

Wichtiges Detail: Zahnmedizinische Instrumente am besten nicht direkt vor die Augen des Patienten halten, sondern vom Kinn her in den Mund führen. Insbesondere bei Instrumenten, die aus der Perspektive des Patienten geradezu martialisch wirken, etwa Spritzen oder Skalpelle, erscheint diese Maßnahme sinnvoll.

Dennoch kann es vorkommen, dass es dem einen oder anderen Angstpatienten während einer Behandlung zu viel wird. Aufgrund seiner passiven Situation sollte im Beratungsgespräch daher ein Signal vereinbart werden, mit dem Angstpatienten die Behandlung im äußersten Fall unterbrechen können, zum Beispiel Heben der rechten Hand oder Übereinanderschlagen der Beine.

 

/// Lachgas: Behandlung wie im Schlaf

Die Stresssituation eines Patienten macht die Behandlung oft auch für das Praxispersonal aufreibend, weil sie in einen Angstpatient mehr Zeit und Nerven investieren müssen als in einen „normalen“ Patienten. Lachgas kann in solchen Fällen jedoch hilfreich sein, weil es sowohl für das Praxisteam, als auch für Patienten die Behandlung angenehmer macht.

Lachgas bewirkt eine Veränderung des Zeitgefühls: Patienten nehmen die Behandlungszeit als wesentlich kürzer wahr. So können ausführlichere Behandlungen in nur einer, statt in mehreren Sitzungen durchgeführt werden. Weiterer Vorteil von Lachgas: Man kann es vom Kind bis hin zu älteren Menschen einsetzen. Wichtig ist jedoch, dass sich ein Patient mit diesem Vorgehen einverstanden zeigt. Um Lachgas während einer Behandlung anwenden zu dürfen, müssen Zahnärzte eine qualifizierte Ausbildung absolvieren. Hilfestellung gibt dabei die Deutsche Gesellschaft für dentale Sedierung (DGfdS), www.dgfds.de.

 

/// Hypnose

Eine weitere Möglichkeit, die Patienten-Compliance zu verbessern, kann zahnärztliche Hypnose sein. Im Gegensatz zum Lachgas, lassen sich jedoch nicht alle Menschen hypnotisieren. Voraussetzung sind nämlich psychische Gesundheit und Sprachverständnis. Schwerhörige, Demente oder Kleinkinder lassen sich daher nicht unter Hypnose setzen.

Denkt man an Hypnose, wird das oft assoziiert mit mehr oder weniger seriösen Zauberkünstlern, die Menschen jeden Willen und Selbstbestimmung rauben. Diese Hypnose-Methode wird als „direkte Hypnose“ bezeichnet. Im zahnärztlichen Behandlungszimmer kommen dagegen Formen der „indirekten Hypnose“ zum Einsatz: Hier wird zum Beispiel innerhalb eines Gesprächs ein veränderter Bewusstseinszustand (zwischen Wachsein und Schlaf) eingeleitet, wobei die Sprechfähigkeit des Patienten bestehen bleibt. Ziel ist, die Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt zu verbessern. Weitere Informationen zum Thema hält die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose auf ihrer Website www.dgzh.de bereit

 

/// Angstpatienten „vor“ der Praxis sinnvoll begegnen

Viele Angstpatienten kommen erst zum Zahnarzt, wenn der Gesundheitszustand ihrer Zähne die Lebensqualität schon stark beeinträchtigt. Anders ausgedrückt: Zwischen einer professionellen zahnmedizinischen Behandlung und dem Gesundheitszustand der Zähne steht die Angst. Aus der Perspektive von Angstpatienten ist sie eine große Hürde. Diese gefühlte Hürde gilt es, schon vor dem Praxisbesuch gezielt zu minimieren, sodass sich Angstpatienten endlich den entscheidenden Ruck geben, sich vom Zahnarzt behandeln zu lassen.

Für die Extremfälle könnten Praxisinhaber auf ihrer Website und in Flyern auf das Angstpatienten-Telefon der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie (DGZP) verweisen, die eine anonyme „Telefonberatung“ mit geschulten Telefonisten anbietet (www.dgzp.de). Auch der „Phobieselbsttest“ auf der Website der DGZP ist ein empfehlenswertes Tool, mit dem Patienten herausfinden können, ob sie an einer Zahnarztphobie leiden.

 

/// Viele Informationen bereitstellen

Darüber hinaus sollten Praxisinhaber für Angstpatienten detaillierte Informationen zum Ablauf bereitstellen, nämlich wie die nächsten Schritte nach dem Betreten der Praxis aussehen. Damit wissen Angstpatienten nämlich schon vorab, was auf sie zukommt. Erwähnt werden könnte zum Beispiel auch, dass es erst zu einem Beratungstermin kommt, um danach einen neuen Termin für den Eingriff zu vereinbaren.

Schon Website und Flyer sollten darauf hinweisen, dass Angstpatienten nicht alleine sind und dass es viele Menschen gibt, denen es so oder so ähnlich geht. Dies hilft dem einen oder anderen, besser mit seiner Angst umgehen zu können, weil er sieht: „Ich bin nicht der Einzige“. In diesem Zusammenhang sind einige Fakten zur übertriebenen Angst vor dem Zahnarzt hilfreich: Wie viele Angstpatienten gibt es in Deutschland/Europa? Worauf ist diese Angst in vielen Fällen zurückzuführen? Was sind die Konsequenzen der Zahnarztangst? Für Patienten ist dies ein erster Schritt, sich mit ihrer Angst anonym im Internet sinnvoll zu befassen. Gleichzeitig sollte ihnen auch vermittelt werden, dass ein Besuch beim Zahnarzt oder ein Anruf bei der anonymen Telefonberatung unter Umständen dringend geboten erscheint.

Außerdem ist es insbesondere bei Angstpatienten sinnvoll, das Team ausführlicher vorzustellen: Wie viel Erfahrung hat es im Umgang mit Angstpatienten? Welche Qualifikationen hat es? Wichtig sind gute Bilder, im Zweifel vom Fotograf. Die Team-Mitglieder sollen nämlich sympathisch wirken – auch das kann eine Strategie sein, um Angst bei Patienten abzubauen.

Das Ziel aller Maßnahmen sollte jedoch sein, Patienten in ihrer spezifischen
(Lebens-)Situation abzuholen, Respekt zeigen und Angebote machen, mit ihrer Angst sinnvoll umzugehen.

 

/// Fazit

  1. Unterschieden wird eine „normale“ und eine übertriebene Angst vor dem Zahnarzt und der zahnmedizinischen Behandlung, wobei Letztere auch als Phobie bezeichnet wird. Zwischen normaler und übertriebener oder krankhafter Angst gibt es zahlreiche Abstufungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Zahnärzte mit Angstpatienten (aller Art) in Berührung kommen, ist deshalb hoch.
  2. Es ist daher sinnvoll, sich Strategien zurechtzulegen, um mit solchen Patienten geschickt umzugehen, vor allem um ihre Compliance zu verbessern.
  3. Dazu muss das Praxispersonal zunächst einmal herausfinden, ob ein Patient Angst hat und wenn ja, inwiefern diese ausgeprägt ist. In diesem Zusammenhang könnte eine entsprechende Frage auf dem Anamnese- oder Anmeldebogen hilfreich sein, aber auch die Beobachtung des Patientenverhaltens vor und während der Behandlung kann Aufschluss geben.
  4. Wichtig ist, Angstpatienten Angebote zu machen. Zum Beispiel mit einer anonymen Telefonberatung oder mit detaillierten Informationen unter anderem zur Behandlung in der Praxis.
  5. Angstpatienten sollte klar gemacht werden, dass sie nicht alleine sind. Die DGZP spricht von gut fünf Millionen Angstpatienten, alleine in Deutschland.

(Al/Ka)

 

[1] https://www.bzaek.de/fuer-medien/presseinformationen/presseinformation/bzaek/2012/02/02/jeder-zehnte-hat-grosse-angst-vorm-zahnarztbesuch.html

[2] https://www.bzaek.de/fuer-medien/presseinformationen/presseinformation/bzaek/2012/02/02/jeder-zehnte-hat-grosse-angst-vorm-zahnarztbesuch.html