Lupenbrillen & Mikroskope

Lupenbrillen & Mikroskope –

Der Zahnarzt und die Präzision

Auch wenn die Honorare gleich geblieben bzw. (rechnet man die Inflation ein) gesunken sind – vom Zahnarzt wird immer mehr Präzision verlangt. War es früher mal ausreichend, wenn die Sonde bei ZE nicht gehakt hat, nimmt der Gutachter im Zweifel heute bereits die Hakensonde und das Röntgenbild mit hoher Auflösung zur Hand, um die Qualität zahnärztlicher Arbeit zu kontrollieren. Und das hat sich jetzt ausgebreitet: nicht nur ZE wird so geprüft, auch andere zahnärztliche Gebiete, z.B. die Endodontie. Hat es mal vor langer Zeit – so scheint es einem, dabei sind grad mal ein paar Jahre ins Land gegangen – gereicht, wenn eine Wurzelfüllung „ungefähr“ bis zum Apex reichte und das Füllmaterial „ungefähr“ das Kanallumen ausgefüllt hat, so schauen die Gutachter heute schon ganz genau hin. Ermöglicht wurde das durch den Fortschritt der Technik. Röntgenbilder liefern heute eine früher unvorstellbare Präzision und Darstellungsschärfe, und was man mal mit Einzelaufnahmen dargestellt hat (mit Überlagerungen, Verzerrungen, etc.), das wird heute mit Volumentomographie abgebildet. Da können die Implantologen ein Lied davon singen – die mussten und müssen heftig investieren um die neuen Geräte anzuschaffen. Ohne geht man jedoch unwägbare Risiken ein.

Redaktion

 

Das Ganze hat für die Patienten ungeheure Vorteile, das darf man nicht leugnen. Und, die Präzisionsgeräte sind ja auch billiger geworden. Und der Zahnarzt kann eben auch mit viel höherer Trefferquote Prognosen zum Erfolg seiner Arbeit abgeben.

 

/// Kariesdiagnostik und Füllungstherapie

Weniger bekannt ist der Einsatz des OP-Mikroskops in der Diagnostik von Hartgewebsdefekten. Ein spezielles Problem stellt dabei die Fissurenkaries dar: eine bloße Verfärbung muss nicht invasiv behandelt werden, eine Initialkaries kann mit Hilfe der Versiegelung dauerhaft therapiert werden – jedoch ist der Einsatz der Sonde hier fraglich. Wendet man Druck an, so provoziert der Untersucher den Einbruch der Deckschicht (bei Initialkaries) und setzt so Schäden, die dann invasiv behandelt werden müssen. Das Mikroskop erlaubt nun minimal invasiv vorzugehen, indem eine Differentialdiagnostik möglich wird, ohne die Sonde substanzschädigend einzusetzen.

Weiterhin kann das Dentalmikroskop bei allen Zweitversorgungen (Redentistry), wertvolle Hilfe bieten. Randspalte können von Verfärbungen unterschieden werden, die problematische Abgrenzung Zahnsubstanz/zahnfarbenes Füllungsmaterial wird durch das Mikroskop deutlich erleichtert.

Auch bei der Randgestaltung der Präparationsgrenzen wird eine besondere Präzision erreichbar, beispielsweise kann der für eine adhäsive Füllungsverankerung geforderte Bevel mit Hilfe des Mikroskops kontrolliert werden, was für das bloße Auge kaum mehr möglich ist.

Damit wird das Therapieergebnis entscheidend verbessert.

 

/// Zahnersatz

Im Dentallabor ist das schon längst Gewohnheit: der Randschluss zwischen Modell und Restauration wird mit dem Mikroskop kontrolliert. Wenn es dann im Mund trotzdem nicht so exakt passt, dann hat eben die Abformung nicht gestimmt. Hat der Zahnarzt deshalb schlecht gearbeitet? Nein! Die konventionelle Abformung ist, das haben alle bisherigen wissenschaftlichen Studien gezeigt, an sich nicht sonderlich zuverlässig. Und genau da kommt jetzt die nächste „Revolution“: es wird immer weniger abgeformt, es wird zunehmend digital per Scan und CAD (Computer Aided Design) gearbeitet. Die letzte IDS hat da deutliche Zeichen gesetzt. Das Labor bekommt dann nur noch Datensätze geliefert, das geht ohne Fahren per DSL. Ist schneller und präziser. Denn, wenn die Abformung nicht gestimmt hat – es kann auch der Fahrer gewesen sein, der die Abformung auf der Konsole im Auto bei starker Sonneneinstrahlung hat liegen lassen, war ja keiner dabei…

Die Videoaufnahmen (was anderes ist ja der Scan auch nicht) zeigen jetzt aber in aller Deutlichkeit, wie die Präparation aussieht. Unscharfe Ränder werden ebenso gnadenlos dargestellt wie Unterschnitte (die kann man noch per Design korrigieren und muss nicht ausblocken, aber Unterschnitte an der Präparationsgrenze, das geht nicht). Da erhält der Zahnarzt aber auch eine Chance: er kann unmittelbar korrigieren und muss nicht warten, bis der Techniker anruft und Probleme meldet.

Um mit der Präzision solcher Scans mithalten zu können bleibt gar nichts anderes als schon beim präparieren die Lupenbrille aufzusetzen – beim Mikroskop sind wir Gottlob noch nicht angelangt. Wir müssen uns der Situation stellen: der Zahnarzt, der heute noch ohne Lupenbrille arbeitet, wird Patienten verlieren, die sind es anders gewohnt…

 

/// Endodontie

Auch hier hat es wesentliche Veränderungen gegeben. Internationaler Standard ist heute der Einsatz eines Mikroskops bei der Endo-Behandlung. Das fängt schon beim Aufsuchen der Kanaleingänge an. Rumstochern mit der Sonde, das war einmal. Unter dem OP-Mikroskop findet man rasch und unkompliziert alle Kanaleingänge, und wenn sie noch so obliteriert oder schlitzförmig sein mögen. Ebenfalls mit Hilfe des Mikroskops werden dann die Kanaleingänge richtig dargestellt bzw. erweiter und zur Kanalaufbereitung vorbereitet. Kann man ohne Vergrößerung (also, Lupenbrille ist mindestens gefordert) gar nicht richtig umsetzen.

Die Aufbereitung wird ebenfalls viel präziser: da ist die Rö-Messaufnahme schon veraltet, neue Geräte erlauben es, sehr präzise die Striktur vor dem Apex zu finden, wo immer die sich auch versteckt haben mag. Die Faustformel „1 mm vor dem röntgenologischen Apex“, nun ja, konnte sich ja nicht anders behelfen. Die Aufbereitung geschieht natürlich maschinell, wobei die manuelle Bearbeitung der Kanäle mit Stopps heute auch mega-out sein sollte. Bedenken wir nur, dass die Stopps ja nie wirklich fixiert sind auf der Feile, die können auch rutschen. Und dann? Bei modernen Geräten zur elektromechanischen Aufbereitung ist die Längenkontrolle integriert, da kann man sicher sein, dass die Arbeitslänge auch wirklich eingehalten wird.

Nach dem Abfüllen erlauben die digitalen Röntgengeräte mit der heute sehr guten Auflösung – das war mal ganz anders! – eine exakte Beurteilung, unmittelbar, ohne Abwarten der Filmentwicklung, und man kann ggflls. sofort korrigieren.

 

/// Parodontologie

Die Parodontalchirurgie ist im Prinzip eine mikrochirurgische Disziplin – je präziser z.B. die Konditionierung der gereinigten Wurzeloberflächen gelingt, Membranen eingebracht und positioniert sowie Parodontalnähte gelegt werden können, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit. Auch die Kontrolle der Maßnahmen gelingt mit Hilfe des OP-Mikroskops viel besser, und letztlich hat sich die Parodontologie ja auch mit den Spätfolgen der Implantation, der Periimplantitis, in zunehmendem Maße auseinanderzusetzen. Alleine die Dekontamination der Gewindegänge von Implantaten gestaltet sich enorm schwierig, da hilft es, wenn man besser sehen kann was man tut.

 

/// Chirurgie

Die Zeiten der „ungefähren“ Chirurgie sind auch überwunden. PAR-OP´s werden unter dem OP-Mikroskop ebenso vorgenommen (da sieht man auch die Auflagerungen auf den Wurzeloberflächen viel besser und muss sich nicht nur auf das Tastgefühl verlassen) wie z.B. Resektionen (Wurzelspitze) oder Kieferhöhlenoperationen. Das unbewaffnete Auge ist für die geforderte Präzision einfach nicht geeignet. Stichwort Wurzelspitzenresektion: unter dem Mikroskop sieht man ganz genau, was abgetragen werden muss und wo die starken Ramifikation aufhören, die eine konventionelle orthograde WF scheitern ließen. Da wird nicht zu viel geopfert und nicht zu wenig weggenommen.

In der PAR wird mittlerweile sogar genäht unter dem Mikroskop, ebenso bei augmentativen Maßnahmen. Da wird ja ein absolut dichter Nahtverschluss gefordert, Dehiszenzen, so weiß man heute, machen alle Anstrengung zunichte.

Auch bei einer Eröffnung eines zuvor augmentierten Kieferareals nutzt der Einsatz des Mikroskops: man kann viel besser sehen, ob das Augmentationsmaterial integriert worden ist oder nicht. In ein Gebiet, das noch nicht in Knochen eingebautes Augmentationsmaterial enthält, sollte man besser kein Implantat setzen…

/// Fazit

Die Beispiele könnte man fortsetzen, hier wurden nur die wichtigsten Innovationen dargestellt. Da kann sich ja Jeder seine eigenen Gedanken machen – und der Fortschritt hat eine rasante Geschwindigkeit angenommen, im Moment der Berichterstattung ist das Wissen schon wieder überholt. Nur: gegen den Trend kann man nicht arbeiten, da gerät man hoffnungslos ins Hintertreffen. Und, die Berufsregeln verlangen „Therapie nach wissenschaftlichen Kriterien und aktuellem Stand der Technik“, das ist ultimativ und kann nicht diskutiert werden.

Deshalb sollte im Rahmen des QM auch darauf Bezug genommen werden – es sind aktuelle Therapieprotokolle zu erstellen, die den technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Präzision implementieren. Beim QM ist ja auch gefordert, dass eine permanente Weiterentwicklung stattfindet und dass diese dokumentiert werden soll…

m/s