Patientengeheimnis: Was ist beim Verkauf der Praxis zu beachten?

Wird die Praxis an einen Nachfolger verkauft, wird regelmäßig auch die Patientenkartei mitverkauft. Diese ist aber nicht nur ein wertvoller Bestandteil der Praxis für den Nachfolger, sondern das Patientengeheimnis ist in erster Linie Grundlage für die Vertrauensbeziehung zwischen Zahnarzt und Patient. Daher unterliegen alle in der Praxis erhobenen Patientendaten der zahnärztlichen Schweigepflicht. Dies führt häufig zu Unsicherheiten bei der Frage, wie mit diesen Daten im Rahmen eines Praxisverkaufs umgegangen werden kann.

Anna Stenger

 

Der Praxiskäufer hat naturgemäß ein reges Interesse daran, die Patientendaten des Praxisverkäufers nutzen zu können. Dabei wird nur allzu oft „übersehen“, dass der Praxiskäufer die Daten des Vorgängers zunächst einmal gar nicht nutzen darf. Für den Praxiskäufer ist dies natürlich ein Ärgernis, da er für die Patientendaten häufig viel Geld bezahlt hat. Denn der Patientenkartei kommt bei einem Praxisverkauf aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein erheblicher Wert zu. Der Patientenstamm repräsentiert den guten Ruf einer Praxis, aus dem sich der „Goodwill“ der Praxis errechnet, der wesentlich zur Preisfindung einer Praxis beiträgt.

 

Häufig übersehen wird aber, dass dieser Wert – wegen des Patientengeheimnisses als spezifische Datenschutzregelung – nicht frei einsehbar ist.

 

Nach § 7 der zahnärztlichen Musterberufsordnung (MBO-Z) hat der Zahnarzt die Pflicht, über alles, was ihm in seiner Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut und bekannt geworden ist, gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu wahren. Er ist lediglich dann zur Offenbarung befugt, soweit er von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter von der Schweigepflicht entbunden wurde. Daher muss der Arzt, dem bei einer Praxisübergabe zahnärztliche Aufzeichnungen über Patienten in Obhut gegeben werden, diese Aufzeichnungen unter Verschluss halten und darf sie nur mit Einwilligung des Patienten einsehen oder weitergeben.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu mehrfach entschieden, dass eine Praxisveräußerung einschließlich der Übertragung der Patientenkartei ohne die eindeutige und unmissverständliche Einwilligung der Patientinnen und Patienten in die Weitergabe der sie betreffenden Akten nicht nur einen Berufsrechtsverstoß darstellt, sondern auch gegen § 203 Strafgesetzbuch (StGB) verstößt. Nach § 203 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Zahnarzt anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Daher bedeutet ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht zum einen, dass Praxisverkäufer und Praxiskäufer sich strafbar machen, wenn die Patientendaten im Rahmen des Praxisverkaufs vorbehaltlos übergeben werden. Zum anderen kann dieser Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften dazu führen, dass der Praxiskaufvertrag insgesamt unwirksam nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist,  (vgl. Neue Juristische Wochenschrift – NJW 1995, 2026NJW 1996, 773 f.).

 

Lassen Praxisverkäufer und Praxiskäufer diese Regelungen unbeachtet, verletzen sie das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten sowie die ärztliche Schweigepflicht. Denn: Die Zahnarzt-Patienten-Vertrauensbeziehung lässt sich nicht ohne weiteres auf einen Praxisnachfolger übertragen. Bloße vorherige oder begleitende Hinweise auf den Praxisübergang in der Zahnarztpraxis (z.B. mittels Schild), in der Tagespresse oder auf mündlichem Wege an die Patienten genügen nicht, um den Zugriff des Nachfolgers auf die bestehenden Patientendaten zu rechtfertigen.

 

Wenn also die Patientendaten an den Praxiskäufer übergeben werden sollen, müssten vor Übergabe der Patientenkartei sämtliche Patienten in die Übergabe ihrer Daten zuvor ausdrücklich zugestimmt haben. Um diese Zustimmung einzuholen, müsste der Praxisverkäufer alle Patienten anschreiben. Dabei ist es jedoch nicht möglich wie folgt zu formulieren: „Sollten Sie sich in den nächsten zwei Wochen nicht bei mir melden, gehe ich von einer Zustimmung der Weitergabe der Behandlungsunterlagen an meinen Nachfolger Dr. XY aus.“ Ein Schweigen des Patienten kann auf diese Weise nicht in eine Zustimmung umgedeutet werden. Vielmehr ist die ausdrückliche Zustimmung des Patienten erforderlich.

 

Da die Erfahrung gezeigt hat, dass Patienten auf solche Anschreiben kaum reagieren, wurde das so genannte „Zwei-Schrank-Modell“ entwickelt. Bei diesem Zwei-Schrank-Modell verbleiben die Patientendaten in einem verschlossenen Schrank, an dem der Praxisverkäufer das Eigentum behält, wobei der Schrank ohne weiteres vom Praxiskäufer verwahrt werden kann. Kommt ein Patient, dessen Unterlagen sich in dem verschlossenen Schrank befinden, in die Praxis, muss er sein Einverständnis dazu erklären, dass der neue Arzt die Behandlungsunterlagen einsehen und nutzen darf. Dabei liegt das Einverständnis in der Regel bereits konkludent durch das Aufsuchen des Praxisnachfolgers in der Praxis vor.

 

Dieses Zwei-Schrank-Modell ist auch bei Einsatz von EDV-Systemen anzuwenden. Bei elektronisch geführten Patientendaten ist der alte Bestand zu sperren und der Zugriff hierauf z.B. mittels Passwort zu sichern. Für einen erstmaligen Zugriff auf einen Patientendatensatz durch den Praxisnachfolger ist wiederum die Zustimmung der Patientin bzw. des Patienten erforderlich. Liegt diese vor, so darf insoweit der Datensatz vom Nachfolger freigeschaltet und weitergenutzt werden.

 

Erst wenn der Patient sein Einverständnis in die Weitergabe seiner Daten erklärt hat, ist der Praxisverkäufer verpflichtet, das Eigentum an diesen Unterlagen an den neuen Praxisinhaber zu übertragen.

 

/// FAZIT

 

Daher ist es unentbehrlich in Praxiskaufverträgen Regelungen zur Übergabe der Patientenkartei zu treffen, die den dargestellten Anforderungen gerecht werden. Diese sind jedoch nicht nur auf dem Papier zu vereinbaren, sondern müssen von Praxisverkäufer und Käufer auch entsprechend umgesetzt werden. Das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient ist nach wie vor ein sehr hohes Gut, dessen Ausfluss die Pflicht zur Verschwiegenheit ist. Daher sollten sich Zahnärzte bewusst sein, dass ein Verstoß hiergegen nicht nur eine Verletzung dieser Vertrauensbeziehung oder eine berufsrechtliche „Lappalie“ darstellt, sondern ein strafbares Verhalten.

 

– AUTORIN

Anna Stenger, LL.M.
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht

 

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