Praxiskauf

Die Neutralisation der betriebswirtschaftlichen Auswertung des Praxisabgebers

 

 

Ein entscheidender Faktor bei einem Praxiskauf ist der Kaufpreis, der sich üblicherweise in einen materiellen Wert (also Geräte und Einrichtung) und einen immateriellen Wert (also der Wert des Patientenstamms) aufteilt. Während der materielle Wert relativ schnell und einfach (z.B. durch ein Dentaldepot) ermittelt werden kann, gibt es zur Ermittlung des immateriellen Praxiswerts eine Vielzahl von Berechnungsmethoden. Hinzu kommen Praxisberater, die auf Wunsch umfangreiche Gutachten erstellen.

Dipl.-Kfm. (FH) Adam J. Janetta

 

Wenn Sie sich für eine bestimmte zum Verkauf stehende Praxis interessieren, können Sie sich zunächst selbst und kostengünstig einen Eindruck über das Zahlenmaterial der Praxis verschaffen. In der Regel erhalten Sie vom Steuerberater des Abgebers die betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) samt Summen- und Saldenlisten (SuSa) der vergangenen drei Jahre sowie das Lohnjournal (Aufstellung der Mitarbeiter inkl. deren Kosten) und Anlageverzeichnis. Jeder Unternehmer (und ja, auch der Zahnarzt ist ein Unternehmer) hat Besonderheiten in seinen Zahlen, die nur ihn betreffen und daher für Ihre Zwecke neutralisiert werden müssen. Neutralisieren bedeutet also, dass Zahlenwerk – Einnahmen, Ausgaben und somit den Gewinn – so darzustellen, wie es nach erfolgter Übernahme aussieht.

 

Folgende Positionen sollten genau betrachtet werden:

 

  1. Personalkosten (siehe Lohnjournal)
    Sind Familienangehörige beschäftigt? Oder auch zu viele Mitarbeiter(innen), was häufig bei älteren Zahnärzten vorkommt? Die entsprechenden Kosten sind herauszurechnen.
  2. Kosten der Praxiseinrichtung/Gerätekosten (siehe BWA und Anlageverzeichnis)
    Die Geräte in der Praxis sind veraltet, verursachen hohe Reparaturkosten und Sie planen ohnehin Neuanschaffungen? Eventuell sind diese Kosten zu mindern, da neue Geräte deutlich weniger Reparaturkosten verursachen. Dafür muss der Aufwand für Ersatzgerätschaften berücksichtigt werden, weil die Praxis funktionsfähig sein muss. Dafür kalkulieren Sie die Kosten für die neuen Geräte und berücksichtigen davon 1/20 pro Jahr als Aufwand.
  3. Finanzierungskosten (siehe BWA)
    Diese Kosten können Sie gänzlich herausrechnen, da Sie in der Regel keine Schulden miterwerben. Ihre eigenen Finanzierungskosten sind zwar wichtig für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, spielen jedoch bei der Kaufpreisermittlung keine Rolle.
  4. Raumkosten (siehe BWA und SuSa)
    Setzt der Abgeber ein häusliches Arbeitszimmer ab, was Sie eventuell nicht können? Sind in den Kosten auch Modernisierungsaufwendungen enthalten, die nicht jährlich anfallen (z.B. neuer Praxisanstrich)? Entsprechende Kosten sind zu kürzen.
  5. Beiträge/Versicherungen (siehe BWA und SuSa)
    Kosten für Berufsverbände, den Sie nicht angehören (wollen), sowie für Versicherungen, die nicht notwendig sind, sind zu kürzen. Ebenso ist zu prüfen, ob und zu welchen Konditionen Sie eine eventuelle Abrechnungsgesellschaft weiternutzen möchten.
  6. Fahrzeugkosten (siehe BWA und SuSa)
    Kosten für einen Pkw sind in voller Höhe zu kürzen. Ebenso ist auch der Eigenverbrauch des Pkw bei den Einnahmen zu kürzen (siehe unentg. Wertabgaben in der BWA). Bitte beachten Sie, dass die Abschreibung des Pkw oftmals nicht in den Fahrzeugkosten, sondern bei der Position Abschreibungen enthalten ist.
  7. Fortbildungskosten (siehe BWA und SuSa)
    Bildet sich der Abgeber gerne in der Schweiz oder auf Sylt fort? Kürzen Sie diese Kosten auf die Höhe, die die „normalen“ Fortbildungen verursachen.
  8. Weitere Ausgaben (siehe BWA und SuSa)
    Ungewöhnlich hohe Kosten für Steuer- und Rechtsberatung, Bewirtung, Geschenke sind zu prüfen und gegebenenfalls aus den Gesamtkosten herauszurechnen.
  9. Abschreibungen (siehe BWA)
    Abschreibungen sind zunächst aus den Gesamtkosten herauszurechnen, da Sie durch den Praxiskauf ein neues AfA-Volumen generieren.
  10. Einnahmen (siehe BWA und SuSa)
    Sind in den Einnahmen auch solche enthalten, die Sie keinesfalls generieren werden? Zum Beispiel gutachterliche Tätigkeiten, Erträge aus Verbandstätigkeiten etc. Diese Erlöse sind entsprechend zu mindern.

 

 

Nachdem Sie nun das Zahlenwerk neutralisiert haben, können Sie anhand des Honorars und des Gewinns eine erste Einschätzung der Kaufpreisforderung vornehmen. Zu dem aktuellen Verkehrswert der Praxiseinrichtung kommt noch der immaterielle Wert, der häufig bei ca. 20-30% des Honorars oder dem 1,0-1,4 fachen des Gewinns liegt.

 

Eine erste Einschätzung deshalb, weil natürlich viele weitere Faktoren bei einer Praxisübernahme berücksichtigt werden müssen:

 

  1. Wie steht es um die Zukunftsfähigkeit der Praxis aus – insbesondere im Hinblick auf die Lage und die Patientenstruktur?
  1. Wie und in welcher Form arbeitet der Abgeber?
  1. Wie viel Behandlungszeit wendet er auf und ist dies eventuell ausbaufähig?
  1. Können die Einnahmen durch gezielte Marketingmaßnahmen gesteigert werden?
  1. Ist die Praxis erweiterbar – z.B. für die Einrichtung eines Eigenlabors?
  1. Werden delegierbare Leistungen (z.B. PZR, PA etc.) angeboten bzw. sind diese ausbaufähig?

 

Während bei der Neutralisation der Zahlen aus der Vergangenheit der Schwerpunkt auf den Praxisausgaben liegt, beschäftigen sich die meisten anderen Faktoren mit den Praxiseinnahmen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es ohnehin bedeutsamer, das Augenmerk auf die Einnahmenseite zu richten:

 

Bei einem Honorar von durchschnittlich 350.000 Euro p.a. bedeutet eine 10%ige Steigerung einen Mehrgewinn von 35.000 Euro. Werden die durchschnittlichen Praxisausgaben von 210.000 Euro um 10 % gesenkt, ergibt sich ein Mehrgewinn von 21.000 Euro. Die ergibt einen Unterscheid von 14.000 Euro, obwohl beides um genau 10% verändert wurde.

 

Dies ist sicherlich allen bekannt, jedoch nur wenigen bewusst. Es ist immer wieder festzustellen, dass sich Praxisinhaber – und auch solche, die es werden wollen – vorrangig mit der Kostenseite der Praxis beschäftigen. Grundsätzlich ist dies auch nicht verkehrt, aber es sollte kein Dauerthema sein. Die einzelnen Kostenpositionen sollten gemeinsam mit dem Steuerberater einmalig optimiert und in der Folgezeit laufend kontrolliert werden.

 

Da sich eine Honorarsteigerung besser auf Ihren Gewinn auswirkt, stellt sich in Bezug auf einen möglichen Praxiserwerb die Frage, ob sich ausreichend Gedanken über potentielle Maßnahmen zur Honorarsteigerung gemacht wurden. Dies sind zum Beispiel:

 

  • Abrechnung: Hier gehen die meisten Einnahmen verloren. Entweder aufgrund von mangelndem Abrechnungswissen oder mangelnder Kontrolle. Dem Thema Abrechnung muss also die höchste Priorität zukommen.
  • Ist die PZR in der Praxis eingeführt? Arbeitet die ZMP wirtschaftlich?
  • Wie steht es um die Rüstzeiten? Ist alles gut vorbereitet oder geht Zeit verloren, weil Material o.ä. während der Behandlung besorgt werden muss?
  • Wie ist die Außendarstellung – insbesondere die Internetpräsenz?
  • Barrierefreiheit: Können auch ältere Patienten Ihre Praxisräume gut erreichen?
  • Sind die Maßnahmen bei Punktmengenüberschreitungen und die Mehrkostenfaktoren Ihrer KZV bekannt?
  • Können Sie Zusatzleistungen ausreichend gut „verkaufen“?

 

Bei konkretem Kaufinteresse ist die Inanspruchnahme eines spezialisierten Steuerberaters notwendig. Dieser kann zwischen den Zeilen der BWA lesen und noch weitere gezielte Fragen stellen, um unangenehme und teure Überraschungen nach erfolgtem Praxiserwerb zu vermeiden.

 

– AUTOR

Dipl.-Kfm. (FH) Adam J. Janetta
Steuerberater

 

– KONTAKT

Janetta & Koch
Steuerberater Partnerschaft mbB
Buddestraße 18-20
51429 Bergisch Gladbach
Telefon: 02204/987 11 90
Telefax: 02204/987 11 91
E-Mail: kontakt@janetta-koch.de
Internet: www.janetta-koch.de